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ABSOLVENTINNEN 2007/08 DER SCHULE FÜR KÜNSTLERISCHE PHOTOGRAPHIE, WIEN

KÜNSTLER/INNEN

  • ROSA JOHN
  • ANDREAS KURZ
  • HILDRUN URBAN
  • PAUL GASSER
  • PATRIZIA WIESNER
  • KAMILLA BISCHOF
  • MARTIN FAISS
  • TERESA SCHWEIGER

Mittwoch, 25. Februar 2009



ulrike matzer

Dienstag, 24. Februar 2009

Text zur Ausstellung von Ulrike Matzer

„Bette dein Haupt auf Stroh und genieße die Aussicht“, lädt der Titel der Ausstellung ein –
 etwas trügerisch möglicherweise. „Welchen Blick hat man vom Mars auf die Erde? Was heißt es, die Aussicht zu genießen?“, fragten sich die acht hier vertretenen AbsolventInnen des
 Jahrganges 2007/08 der Schule für künstlerische Photographie von Friedl Kubelka. Und wohl noch mehr sind diese Fragen an die BetrachterInnen gerichtet: Was heißt es, auf etwas zu blicken, insbesondere auf sein eigenes Selbst als Bild? Inwiefern bestimmen mediale Möglichkeiten, gesellschaftliche Bedingungen, Ideologien unseren Blick auf „die Welt“? – Die
 Untersuchung des Ich und der uns umgebenden Welt könnten als zwei Schwerpunkte der
 insgesamt recht unterschiedlichen, experimentellen Ansätze gesehen werden.


Als Opener an der Wand dem Eingang gegenüber empfängt ein gespenstisches Bild, das nicht nur etwas von einer abwehrenden Geste gegenüber dem Fotografiert-Werden hat, sondern eine Art Urknall symbolisiert: eine „Körper-Zelle“, so der Titel, ein ohne Kamera hergestelltes Bild, auf dessen lichtempfindlicher Oberfläche Andreas Kurz selbst in Embryostellung gekauert ist, umsäumt von einer Schwarzpulver-Linie, auf der er drei Schweizerkracher zünden ließ (von daher die ins Bild gerissenen Löcher): Wie ein schamanisches Ritual mutet das an, bei dem der zu Schützende innerhalb eines geschlossenen Kreises beschworen wird. Ergebnis ist ein Bild, das einerseits wie die vergrößerte Ultraschallaufnahme eines Fötus wirkt, also vom beginnenden Leben kündet; das aber andererseits auch etwas von dessen Ende ahnen lässt, wenn man der Skelettknochen der Hand ansichtig wird. Eine Situation zwischen Geborgenheit in einer Art Zellmembran und zugleich Gefahr inmitten explosiven Materials. Ein Bild, das ein Fotogramm wie auch ein „Schattogramm“ (Andreas Kurz) ist: auf dem Fotopapier hebt sich weiß ab, was auf ihm zu liegen kam während der blitzartigen Belichtung; ein physikalischer Abdruck, eine unmittelbare Spur, „the very condition of the image’s production“, wie Geoffrey Batchen derart entstandene Bilder nennt. Wobei neben dem weißen Fotogramm auch partiell Schatten des abgelichteten Objekts, also des „Fotografen“ selbst, vor allem rechts von diesem zu sehen sind. Die gestischen-malerischen Wischspuren rühren vom Vorgang des Entwickelns, wo mit Schwämmen das Bild zur Erscheinung gebracht worden ist. Die Partien außerhalb des magischen Kreises sind nicht fixiert: Sie entwickeln sich weiter und künden vom Altern des Bildes.




Eine andere Form des Selbstabdrucks, eine fotografische, ist die Abfolge von Selbstporträts von Teresa Schweiger: auch dies hat etwas von einer Versuchsanordnung an sich, wenn auch auf harmlosere Weise. Es ist der Versuch, das Unfassbare in den Griff zu kriegen, die wohl beständige Suche nach der eigenen Identität. Elf Selbstporträts in einer Vitrine künden von diesem Anlauf, der immer aufs Neue genommen wird, jedoch auch gleichzeitig Ausdruck
 fortschreitender Fragmentierung ist, ein „Motor, um dem Scheitern Ausdruck zu verleihen“
 (Teresa Schweiger). Komik und Clowneskes vermischen sich mit leiser Tragik, bisweilen tun
 sich existenzielle Fragen auf, wenn das Selbst verloren scheint („selfportrait without me – face
 lost“); Wunsch-Identitäten werden durchgespielt („selfportrait as twins without ears“),
 während „picture for passport (non biometric)“ auf Fotografie als Identitätsdokument im
 landläufigen Sinn rekurriert, das ein Individuum rechtskräftig vertritt – auch wenn das Passfoto in seiner herkömmlichen, nicht-biometrischen Form langsam passé ist. Das Wort „Portrait“ leitet sich ab vom lateinischen „protrahere“, das „hervorziehen“, „ans Licht bringen“ heißt. Die fotografische Selbstabbildung des Referenten wird hier für eine bildliche Selbsttransformation instrumentalisiert; für Veränderungen, die womöglich einiges zutage fördern, auch wenn sie das Bild im herkömmlichen Sinn ad absurdum führen. Wobei neben der fotografischen Selbstreferenzialität die sprachliche wesentlich ist, das sprachlich Vermittelte
 als eine Setzung, die die Autorin über in Letraset hingerubbelte Wörter vornimmt, als
 nachträgliche, äußerliche Handlung gegenüber dem Bild – wiewohl es auch darüber niemals gelingen wird, des Ichs habhaft zu werden: es bleibt zeitlebens ein Flüchtiges, Fremdes.




Performances des Ich als Bild sind auch bei Kamilla Bischof zu studieren, und ebenso der Unterschied zwischen fotografischem und malerischem bzw. grafischem Selbstporträt: Malerei und Zeichnung bestätigen auf rein symbolischer Ebene Identität, während bei der Fotografie eine (bis zu einem gewissen Grad) doch unmittelbare, physikalisch-chemische Beziehung zwischen Bild und Abgebildetem besteht. Kamilla Bischof zeigt sich selbst, in (nach dem Spiegelbild) gemalten und gezeichneten Porträts, wie auch in Schnappschuss-Fotografien, die atmosphärisch an die Praxis und Lebenswelt Nan Goldins erinnern, von der sich auch ein
 direktes Bildzitat findet: ein Tapetenausschnitt aus einer ihrer Fotografien. Tagebücher und
 Notizbücher spielen eine zentrale Rolle in diesem Kaleidoskop aus Bildern, und tagebuch-,
 notizbuchartig ist das Arrangement per se, ein Spiel auch mit dem Format des „Mädchentagebuchs“, in dem es um Sehnsucht, Liebe, Beziehungen geht, um das Probieren von
 Rollen wie Kleidern; ein Spiel, das das Anstreifen an Kitschiges nicht scheut. Ein Bild aus Bildern, die teils selbst wiederum aus etlichen collagierten, übermalten und sonstwie überformten Bildern gebastelt sind; ein keineswegs in sich abgeschlossenes Ganzes; vielmehr ist offen, was die „eigentliche“ Arbeit ist – andere Teile daraus könnten genauso gut in anderer Konstellation die Form eines Buchs oder einer Postkarte annehmen.






Das Vorläufige ist der Zustand, in dem dieser bunte Kosmos sich jeweils materialisiert.Das wohl bekannteste Selbstporträt aus der Frühzeit der Fotografie, Hippolyte Bayards „Selbstporträt als Ertrunkener“ von 1840 kommt einem womöglich angesichts einer der beid
en Arbeiten von Martin Faiss in den Sinn: Bayard gilt als Begründer des fiktiven
 Selbstporträts (zumindest im damals neuen Medium Fotografie), und Martin Faiss’ in der
 Wanne schwimmendes, digital manipuliertes Porträt kann als heutiges Pendant dazu gelesen werden, das das Ertränkt-Werden oder Ertrinken räumlich inszeniert. Das Porträt an der Wand darüber steht in seiner Körnigkeit für einen anderen Aggregatzustand gewissermaßen: Ein kleinformatiges analoges Bild wurde mit einer Digitalkamera abgelichtet und stark „aufgeblasen“, das Fotokorn wird dabei in Pixel umgewandelt, Grauwerte verschwinden zugunsten eines schwarz-weißen pointillistischen Bildes, dessen Motiv sich bei zu nahem
 Herantreten beinah im Rauschen verliert: Eben jene Abstraktionsleistung wird damit sichtbar, die das Fotografische immer in sich birgt; selbst beim analogen Bild kann keineswegs so einfach von einer Punkt-für-Punkt-Korrespondenz zum Abgebildeten gesprochen werden, von einer fotografischen „Treue“ gegenüber dem Objekt.



Fotografie sei eine „Botschaft ohne Code“, meinte Roland Barthes, da sie sich nicht wie die Sprache in Einzelteile zerlegen lasse. Dass auch dem mitnichten so ist, wird über die Arbeiten von Patrizia Wiesner vor Augen geführt, die für ihre Serie „your image is a code“ digitale Bilder als Textfiles geöffnet und den Code im einen Fall teils über dessen Bild hat laufen lassen; im anderen wurde er minimal abgewandelt (alle Fragezeigen des Textes wurden gegen je ein Semikolon getauscht, etwa 2.500 Zeichen insgesamt also auf diese Art verändert), was das Bild gleich zur Unkenntlichkeit entstellt, es weit gehend in monochrome Balken transformiert. Im dritten Fall bringt das Löschen von Teilen des Codes eine andere Form von Bildstörung mit sich: horizontale Fragmente, von der Künstlerin „leftovers“ genannt, ziehen ein anders konfiguriertes Bild der Wirklichkeit nach sich, die „Bildlandschaft“ verändert sich. Natur wird in dieser Arbeit Kultur gegenübergestellt, in Form von Schrift, von Text, von Sprache als einer Kulturtechnik, als vom Menschen Gemachtes; „Welt“ im archaischen Sinn steht einer Form, 
sie zu begreifen, zu beschreiben gegenüber, und leicht beängstigend ist die Tatsache der Möglichkeit, per Knopfdruck zwischen „Text“ und „Bild“ switchen zu können, letzteres über wenige Eingriffe grundlegend zu ändern.



Blicke auf und Einblicke in unterschiedliche Welten gewähren auch die Fotoobjekte von Rosa John: in persönliche Innenwelten ebenso wie in medial vermittelte. Die auf unterschiedliche Arten lesbaren Sequenzen der einzelnen Bildräume machen je unterschiedlich angerissene Geschichten möglich: Die einer Gazette entnommene Schlagzeile „Mutter sucht ihre verlorenen
 Töchter“ kann ebenso gut am Anfang wie am Ende der Leserichtung stehen, kann einen Kriminalfall signalisieren, oder kann auch Teil sein eines vielschichtigen visuellen Gedichtes. „Der Betrachter ist im Bild“, meinte Wolfgang Kemp (und das meint natürlich auch: die
 Betrachterin), und in diesem Fall spiegelt er/sie sich nicht nur in den Schichten und wird so Teil der jeweiligen Geschichte, sondern er/sie verändert auch je nach Stand- und Blickpunkt die Perspektive, die hier im Wortsinn auch die „Durchsicht“ ist. Mehr oder weniger transparente layers schieben sich übereinander, so wie in unser aller Unbewusstem allerlei Bilder verschiedenster Herkunft nisten und sich beständig mischen.



Mit kulturell unterschiedlichen Sichtweisen auf den Tod und entsprechend differenziertem Umgang mit ihm beschäftigt Hildrun Urban sich: Aufnahmen des jüdischen Friedhofs in Wien Währing und jenem auf einer kroatischen Insel sind einander gegenübergestellt: Nicht nur zwei gegensätzliche Haltungen gegenüber der Verwendung von Bildern im Totengedenken werden hier evident – das mosaische Bilderverbot auf der einen Seite, die keramischen Porträtfotografien, hierzuland „Grabtaferln“ genannten Bilder auf der anderen, sondern auch die Tatsache, dass der Währinger Friedhof, wiewohl als Kulturgut deklariert, von einer Mauer
 gefasst und mit Stacheldraht bewehrt, dem Verfall anheim gegeben ist, vom Vergessen überwachsen – wobei aber eben die Vegetation auch für potenziell neues Leben steht und die zum Meer hin gelegene kroatische Ruhestätte mit den künstlichen Rosenbouqets verglichen damit nicht einer gewissen Kühle und Glätte entbehrt.



Emotional wie auch physisch nicht leicht zugänglich sind die Fotoarbeiten von Paul Gasser – nämlich nur durch das metaphorische Schlüsselloch, sprich: die Grifflöcher der Schiebetür, die hier als Trennwand fungiert, und sie sind selbst dann nur mit einem Auge blinzelnd aus der Distanz und im Dunkeln wahrzunehmen: Bilder, die per se nicht leicht anzusehen sind, die sich auf häusliche, versteckte Gewalt beziehen, auf die aber hier ganz bewusst der Blick gelenkt wird. Eine Arbeit, die ihre BetrachterInnen geradezu in eine voyeuristische Haltung zwingt.





Mit eingebettetem Haupte käme man hier also nicht weit; die Betrachtenden sind gehörig gefordert in ihrer Aktivität, sie müssen sich bücken und beugen, nach vorn und zur Seite bewegen: Tun Sie das doch, und genießen Sie die Schau – trotzdem und eben deswegen!


Donnerstag, 19. Februar 2009

Körper-Zelle 2009 Andreas Kurz

Dienstag, 10. Februar 2009

Freitag, 6. Februar 2009


Rosa John, Bild-Ausschnitte aus der Reihe „Mutter sucht ihre verlorenen Töchter“, 2009